Sonntag, 7. November 2021

... und viele Geschlechter reihen sich dauernd an ihres Daseins unendliche Kette

In Erinnerung an meinem Vater, hier 2015 mit seiner Urenkelin. Die Kleine ist nun schon ein Schulkind, mein Vater hat sie wenigstens noch ein paar Mal sehen können. 

Komisch, aber dieses Goethegedicht tröstet auch.



Grenzen der Menschheit

Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Über die Erde sä’t,
Küss’ ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
Tief in der Brust.
Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgend ein Mensch.
Hebt er sich aufwärts
Und berührt
Mit dem Scheitel die Sterne,
Nirgends haften dann
Die unsichern Sohlen,
Und mit ihm spielen
Wolken und Winde.
Steht er mit festen,
Markigen Knochen
Auf der wohlgegründeten
Dauernden Erde;
Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche
Oder der Rebe
Sich zu vergleichen.
Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Dass viele Wellen
Vor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
Verschlingt die Welle,
Und wir versinken.
Ein kleiner Ring
Begrenzt unser Leben,
Und viele Geschlechter
Reihen sich dauernd
An ihres Daseins
Unendliche Kette.

2 Kommentare:

  1. So schön, dieses Bild der Liebe. Und das Goethegedicht, das ich bisher nicht kannte, lässt mich nachdenken über Bescheidenheit, Augenmass und Dankbarkeit.
    Einen lieben Sonntagsgruss,
    Brigitte

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  2. Vor allem die beiden letzten Strophen finde ich schön: der einzelne Mensch ist immer Teil aller Menschen.

    Liebe Grüße, Andrea

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